Sonntag, dritter Tag des Festivals.
Im Morgengrauen hatte Regen eingesetzt. Ich entschied mich vorerst dafür, im Zelt zu bleiben. Den Druck auf der Blase und das Jammern meines Pförtners ignorierend harrte ich der Dinge die da kommen mochten. Mein Dach überm Kopf hielt dicht, ich hatte noch was zu lesen und zur Abwechslung nahm ich ein leichtes Frühstück zu mir. Dann, endlich am späten Vormittag zeigte die Sonne wieder ihr güldenes Antlitz. Die Jungs und Mädels vom Cocktailstand hatten längst wieder ihre Reggae-Maschine in Gang gebracht und aus einem der Nachbarzelte hörte ich im 3 Minuten Takt Mein verfickter Arsch ist nass. So konnte aus diesem Tag nur was werden.
Eine Bestandsaufnahme meiner Vorräte ließ mich kurz aufschrecken. Eine ganze Flasche Rum hatte das Zeitliche gesegnet und ich war offensichtlich etwas zu großzügig mit meiner Cola umgegangen. Ich beschloss, ab sofort die Brause nur noch zum Einfärben des Alkohols zu verwenden.
Kurz nach der Mittagstunde schälte ich mich schließlich aus Schlafsack und Zelt, um dem schon seit Stunden drängenden Ruf der Natur zu folgen.
Nach vollbrachter Tat stattete ich meinem Lieblings-Bierzapfer Michael noch einen kurzen Besuch ab. Der Mann war so freundlich mein Telefon mit Strom zu versorgen, so daß ich weiterhin Kontakt zur Außenwelt halten konnte.
Ich gab noch einen kurzen Bericht der Geschehnisse der vergangenen Nacht und brach auf Richtung Festivalzelt.
Das Programm für diesen Tag las sich vielversprechend und ich wurde nicht enttäuscht. Mit Jamaaladeen Tacuma und dem Shibuza Shirazu Orchestra hatten die Veranstalter des Festivals zwei echte Perlen der Musikwelt auf die Bühne geholt.
War der Tag für mich bisher ruhig und, abgesehen von der Musik, relativ ereignislos verlaufen, so stand mir mit der African Dance Night noch ein kleines Abenteuer bevor.
Wie immer bewaffnet mit einer Flasche vom Besten machte ich mich auf zur Eissporthalle in Moers. Unterwegs traf ich auf zwei Jugendliche, die mir zunächst das Sie und später eine ungewöhnlich große Zigarette anboten. Vom Alkohol willenlos Immer neugierig zog ich gierig, was in meinem Kopf eine mittlere thermonukleare Reaktion auslöste. Am Eingang zur Halle dann der Schock: Taschenkontrolle!!! Selbst mein treuer-Hunde-Blick konnte den resoluten Sicherheitsmann nicht davon abhalten, mir meinen Stoff wegzunehmen. Mit leeren Händen und weißem Rauschen im Kopf betrat ich dann den Konzert/Tanzsaal. Hier brannte schon die Hecke! Ich gebe ja gern zu, daß die Veranstaltung in erster Linie zum ausgelassenen Tanzen gedacht war. Trotzdem fühlte ich mich genötigt, möglichst nah an die Bühne zu gelangen, um eine gute Sicht auf die Künstler zu haben. Dies gestaltete sich jedoch äußerst schwierig, was in meinem Hirn die Frage aufwarf, warum Menschen mit einer Körpergröße von 180cm+ unbedingt in der ersten Reihe stehen müssen. Selbst geziehlte Tritte in die Hacken des jeweiligen Vordermannes brachten nur eine kurzfristige Verbesserung meiner Lage. Müde, enttäuscht von der Menschheit und durstig kehrte ich zurück zu meinem Zelt. Wie immer war der Ruf nach Helga auf dem gesamten Gelände zu vernehmen. Langsam bekam ich es mit der Angst. Das entnehme ich jedenfalls meinen Aufzeichnungen:

Im schwächer werdenden Licht meiner Taschenlampe schreibe ich diese vermutlich letzten Zeilen. Die Lage hat sich zugespitzt. Helga ist allgegenwärtig. Selbst die Jesus Freaks sind nicht mehr sicher. [...]
Im Schein eines spontanen Feuerwerks flößte ich mir den letzten Schluck Rum ein, nahm noch eine späte Mahlzeit zu mir und legte mich schlafen. Nur noch ein Tag.

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